Samhain – Wenn die Schleier dünn werden

Der Herbst hat sein gol­de­nes Kleid abge­legt. Nebel stei­gen über die Fel­der, und der Atem der Erde wird still. Es ist die Zeit, in der sich die Natur zurück­zieht, in der alles Leben den Weg nach innen sucht. Sam­hain – aus­ge­spro­chen „Sa-u-in“ – mar­kiert im alten kel­ti­schen Jah­res­kreis das Ende des Som­mers und zugleich den Beginn eines neu­en Zyklus. Das Leben an der Ober­flä­che stirbt, damit Neu­es im Ver­bor­ge­nen kei­men kann.

Sam­hain ist eines der ältes­ten und tiefs­ten Fes­te des Jah­res­krei­ses – ein Über­gang, ein Schwel­len­fest, das Tod und Neu­be­ginn, Dun­kel­heit und Licht mit­ein­an­der ver­bin­det. Wenn die Näch­te län­ger wer­den und die Dun­kel­heit sich aus­brei­tet, öff­nen sich die Tore zwi­schen den Wel­ten. Es heißt, in die­ser Nacht sei­en die Schlei­er dünn – und wer still wird, kann sie spü­ren: die Nähe der Ahnen, das Flüs­tern der Erde, das Geheim­nis des Lebens, das nie wirk­lich endet.


Ursprung und Geschichte

Sam­hain war für die Kel­ten der Beginn des neu­en Jah­res. Es lag am Ende der Ern­te­zeit – wenn alles ein­ge­bracht war und Mensch und Tier sich auf die kar­ge Zeit vor­be­rei­te­ten. Die Her­den wur­den von den Som­mer­wei­den zurück­ge­trie­ben, die Vor­rä­te geprüft, und man fei­er­te das, was die Erde geschenkt hat­te. Doch das Fest war mehr als ein Dank: Es war ein Tor.

In jener Nacht glaub­te man, die See­len der Ver­stor­be­nen kehr­ten zurück, um ihre Häu­ser zu besu­chen. Für sie stell­te man Spei­sen bereit, ent­zün­de­te Lich­ter und Feu­er, um den Weg zu wei­sen. Die Flam­men soll­ten zugleich schüt­zen – vor jenen Geis­tern, die nicht fried­lich waren.

Mit der Chris­tia­ni­sie­rung Euro­pas wur­den vie­le die­ser alten Bräu­che über­nom­men und umge­deu­tet. Aus Sam­hain ent­stand im Lau­fe der Zeit das, was wir heu­te als Hal­lo­ween ken­nen. Der Name geht auf „All Hal­lows’ Eve“ zurück – den Abend vor Aller­hei­li­gen. Ursprüng­lich wur­de an die­sem Abend mit Mas­ken und Lich­tern die Rück­kehr der Toten gefei­ert oder gefürch­tet – ein Schat­ten des alten Ahnenfestes.

Doch Sam­hain lebt nicht nur in Hal­lo­ween wei­ter. Auch der Refor­ma­ti­ons­tag am 31. Okto­ber trägt die­sen Stem­pel der Zei­ten­wen­de in sich. Als Mar­tin Luther 1517 sei­ne The­sen anschlug, fiel das Datum nicht zufäl­lig auf den Vor­abend von Aller­hei­li­gen – ein bewuss­ter Bruch mit alten Struk­tu­ren, der Beginn von etwas Neu­em. Und auch Aller­hei­li­gen (1. Novem­ber) und Aller­see­len (2. Novem­ber) füh­ren das uralte The­ma fort: Erin­ne­rung an die Toten, Ver­bin­dung zwi­schen den Wel­ten, das Bewusst­sein, dass Leben und Tod untrenn­bar ver­bun­den sind.

Alle drei Fes­te – Sam­hain, Hal­lo­ween, Aller­hei­li­gen – tra­gen den­sel­ben Kern: das Nach­den­ken über Ver­gäng­lich­keit, das Ehren der Ahnen und die stil­le Vor­be­rei­tung auf den Winter.


Hier die keltischen Jahreskreisfeste im Überblick:


Symbolik und Energie der Zeit

Sam­hain ist kein Fest der Trau­er, son­dern der Klar­heit. Es erin­nert uns dar­an, dass alles, was stirbt, in ande­rer Form wei­ter­lebt. Die Blät­ter fal­len, um den Boden zu näh­ren. Samen schla­fen, um im Früh­jahr neu zu erwachen.

In der Natur zieht sich die Lebens­kraft in die Wur­zeln zurück – und auch wir wer­den ein­ge­la­den, nach innen zu gehen. Es ist die Zeit der Innen­schau, des Los­las­sens, der ehr­li­chen Selbst­be­geg­nung. Vie­le Men­schen spü­ren in die­sen Tagen eine tie­fe Ruhe oder auch Melan­cho­lie. Bei­des ist Teil des Wandels.

Feu­er und Dun­kel­heit gehö­ren zu Sam­hain wie Tag und Nacht. Das Feu­er steht für die Lebens­kraft, für das Licht, das selbst in der tiefs­ten Nacht nicht erlischt. Die Dun­kel­heit dage­gen schenkt uns die Mög­lich­keit, uns selbst zu begeg­nen – ohne Ablen­kung, ohne Masken.


Alte Bräuche und Rituale

Zur Zeit der Kel­ten wur­den in die­ser Nacht die Feu­er gelöscht und neu ent­zün­det – als Sym­bol für den Neu­be­ginn. Man stell­te Spei­sen für die Ahnen vor die Tür: Brot, Äpfel, Milch oder Bier. Oft wur­de ein Platz am Tisch frei­ge­las­sen, als Ein­la­dung für jene, die vor­aus­ge­gan­gen waren.

Räu­che­run­gen mit Bei­fuß, Wachol­der oder Holun­der soll­ten rei­ni­gen und schüt­zen. Ora­kel wur­den befragt, und die Men­schen such­ten Zei­chen in der Natur – Träu­me, Tie­re, Zufäl­le. Die Gren­zen zwi­schen Sicht­ba­rem und Unsicht­ba­rem waren offen, und so galt Sam­hain als Nacht der Magie, der Weis­sa­gung und der inne­ren Führung.

Auch Tie­re hat­ten in die­ser Zeit beson­de­re Bedeu­tung. Der Rabe als Bote der Anders­welt, die Kat­ze als Hüte­rin des Zwi­schen­raums, die Eule als Sym­bol der Weis­heit und der Nacht.


Samhain heute feiern

Wir leben in einer Zeit, in der vie­les laut, schnell und hell ist. Doch Sam­hain ruft uns zurück zur Stil­le. Es ist die Ein­la­dung, inne­zu­hal­ten – um zu spü­ren, was in uns zu Ende geht, was los­ge­las­sen wer­den will, und was in der Dun­kel­heit bereits neu entsteht.

Ein ein­fa­ches Ritu­al kann so begin­nen: Eine Ker­ze ent­zün­den, tief atmen, und an jene den­ken, die vor uns gegan­gen sind. Viel­leicht stellst Du ein Glas Was­ser, etwas Brot oder eine Blu­me dazu. Sprich ihren Namen lei­se, dan­ke für ihr Leben, für das, was sie wei­ter­ge­ge­ben haben.

Du kannst einen klei­nen Altar gestal­ten – mit Herbst­blät­tern, Wur­zeln, Fotos, Stei­nen oder Kräu­tern. Wenn Du magst, räu­che­re mit Bei­fuß oder Sal­bei und öff­ne kurz das Fens­ter, damit der Rauch sei­ne Bot­schaft in die Welt trägt.

Sam­hain ist auch ein guter Zeit­punkt, um los­zu­las­sen: Schrei­be auf, was Du hin­ter Dir las­sen willst – alte Mus­ter, Ängs­te, Belas­tun­gen – und gib es in die Flam­me. Die Natur zeigt uns, wie man sich ent­blät­tert, ohne zu vergehen.


Pflanzen und Räucherwerk zur Samhain-Zeit

Die Natur hält zu Sam­hain beson­de­re Beglei­ter bereit:

  • Bei­fuß – rei­ni­gend, schüt­zend, klä­rend. Er wur­de tra­di­tio­nell ver­wen­det, um Über­gän­ge zu begleiten.
  • Wachol­der – ver­treibt schwe­re Ener­gien, stärkt das Selbst.
  • Holun­der – Schwel­len­baum zwi­schen den Wel­ten, ver­bun­den mit der Göt­tin der Ahnen.
  • Mis­tel – Sym­bol des Ewi­gen, wächst zwi­schen Him­mel und Erde.
  • Sal­bei – klärt Räu­me, rei­nigt Gedanken.
  • Eiche – schenkt Sta­bi­li­tät und Ver­trau­en im Wandel.

Du kannst aus die­sen Pflan­zen eine eige­ne Räu­cher­mi­schung her­stel­len oder ein Bad zube­rei­ten, um den Über­gang bewusst zu spüren.

Mei­ne Emp­feh­lung:
Mische getrock­ne­ten Bei­fuß, etwas Holun­der­blü­te und ein paar Wachol­der­bee­ren. Gib die Mischung auf eine glü­hen­de Koh­le und atme tief in Ruhe ein und aus Der Gedan­ke: „Ich las­se los, was nicht mehr zu mir gehört” soll Dich dabei begleiten.


Innenschau und Schattenarbeit

Sam­hain ist die Zeit, in der die Natur uns spie­gelt, was wir oft ver­mei­den: Stil­le, Rück­zug, Ver­gäng­lich­keit. Doch gera­de hier liegt die Kraft.
Wer sich traut, hin­zu­schau­en, fin­det Wahrheit.

Die­se Tage laden ein, ehr­lich zu prü­fen: Wo ste­he ich? Was darf enden, damit Neu­es wach­sen kann?
Manch­mal genügt es, still zu sit­zen und zu lau­schen. Die Ant­wor­ten kom­men aus der Tie­fe – so wie die Wur­zeln in der Erde.


Wild & wunderbar – Unerwartetes Pflanzenwissen

Der Holun­der galt in alten Zei­ten als Wohn­sitz der Göt­tin Hol­la oder Frau Hol­le. Wer einen Holun­der­baum fäll­te, ohne um Erlaub­nis zu bit­ten, ris­kier­te Unheil. Noch heu­te steht der Holun­der oft an alten Haus­plät­zen – als Hüter der Schwel­le zwi­schen Leben und Tod.


Persönliche Empfehlungen & Abschluss

Wenn Du Sam­hain fei­ern möch­test, braucht es kei­ne gro­ßen Ritua­le. Ein Licht, ein stil­ler Moment, ein ehr­li­cher Gedan­ke rei­chen aus. Viel­leicht schreibst Du einen Brief an jeman­den, der nicht mehr lebt – oder an Dich selbst in einer ver­gan­ge­nen Zeit. Ver­bren­ne ihn und über­gib ihn dem Wind.

Affir­ma­ti­on für die­se Zeit:
„Ich ehre, was war. Ich las­se los, was gehen will. Und ich öff­ne mich für das Neue, das in der Stil­le wächst.“

Es ist ein­fach wun­der­schön, unse­re Ahnen zu ehren, die vor uns waren und auch die, die nach uns kom­men. Es ist der Tag, an dem die Schlei­er dünn sind. Wir soll­ten nicht alles zu uns ein­la­den, denn nicht alles, was in die­ser Zeit durch die Schlei­er blickt, ist gut für uns. Aber mit die­ser Acht­sam­keit und Auf­merk­sam­keit auf die eige­ne Linie und das eige­ne Leben, darf nun die Zeit der Rück­schau begin­nen. Die Zeit wird dann von den Rauh­näch­ten gekrönt und abge­schlos­sen, bevor es dann wie­der in das neue Jahr startet.

Ich wün­sche Dir eine wun­der­schö­ne, tie­fe, lie­be­vol­le Zeit


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4 Antworten

  1. Lie­be Heike,
    schon dei­ne Mail, ohne die aus­führ­li­chen Infos zu Sam­hain, sind tief in mir in Reso­nanz gegan­gen. Ja, ich wer­de heu­te Abend ein klei­nes Ritu­al machen. Solan­ge aber noch die Son­ne scheint und es drau­ßen mild ist, put­ze ich die getrock­ne­ten Was­ser­trop­fen und den Staub der ver­gan­ge­nen Mona­te von mei­nen Fens­tern, um mit kla­rem Blick wei­ter­ge­hen zu kön­nen. Außer­dem die hal­lo­ween-ver­däch­ti­gen Spinn­we­ben: natür­lich nicht, ohne den Spin­nen, den flei­ßi­gen Webe­rin­nen, für ihr Sein zu danken.
    Lie­be Grüße,
    Silvia

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