Ist das wirklich Empathie – oder spüre ich gerade mich selbst?

Eine Ein­la­dung, Schmerz als Spie­gel zu begreifen

Ich dach­te immer, ich sei ein­fach ein sehr mit­füh­len­der empa­thi­scher Mensch.
Mensch­li­che Schick­sa­le haben mich schon immer, auch schon als Kind, tief berührt – ich habe sie gespürt, als wären sie mei­ne eige­nen.
So gern hät­te ich jedem Men­schen auf mei­nem Weg geholfen.

Ich habe mich schon immer gern für Ande­re, meist die Schwa­chen ein­ge­setzt. Für mich selbst konn­te ich das nicht, aber für Ande­re schon, da wur­de ich sehr stark. 

Ich war Per­so­nal­re­fe­ren­tin, auch da war ich für Men­schen da, aber nicht so, wie ich es ger­ne sein woll­te.
Viel­leicht war genau das der Ruf, der mich zum Heil­prak­ti­ker geführt hat.

Mein Mann sag­te ein­mal zu mir, als ich wie­der nach einem Pra­xis­tag unzu­frie­den und unglück­lich war, weil ich nicht durch Fin­ger­schnip­sen jemand hei­len konn­te (ja das war mein Anspruch :-)):

„Denkst Du, Du kannst jedem hel­fen?“
Und alles in mir schrie:
„Ja, das will ich.“

So jag­te ich über Jah­re hin­weg jeder neu­en The­ra­pie­me­tho­de hin­ter­her,
immer mit dem Wunsch, noch wirk­sa­mer hel­fen zu kön­nen.
Aber ich hat­te nie das Gefühl, wirk­lich erfolg­reich zu sein.
Mei­ne Pra­xis war nicht über­füllt, ich hat­te kei­ne War­te­lis­te.
Ja – ich habe gehol­fen, sicher. Aber nicht so, wie ich es mir wünsch­te.
Ich woll­te tief, ich woll­te wirk­sam, ich woll­te retten.

Ich such­te wei­ter – und fand den Weg ins Online-Busi­ness, noch bevor es ein Trend war.
Ich war eine der Ers­ten und ver­mit­tel­te das Wis­sen rund um Qigong, die Natur und ess­ba­re Wild­pflan­zen.
Es war ein har­tes Brot. Vie­les war Neu­land, ich habe vie­les teu­er bezahlt und war dort meist allein.
Aber es trieb mich vor­wärts – die­ser Wunsch, den Men­schen hel­fen zu können.

Ich sag­te immer:

„Ich lie­be die Men­schen ein­fach so sehr.“

Doch mei­ne Kräf­te schwan­den.
Und das Leben mein­te es in letz­ter Zeit nicht immer gut mit mir. Ich habe immer gekämpft, auch das muss ich noch genau­er ergrün­den, war­um mein Leben immer Kampf war. Aber das kommt zu einem ande­ren Zeit­punkt.
Ich muss­te viel los­las­sen und tue es immer noch jeden neu­en Tag – beruf­lich, pri­vat, inner­lich.
Wenn die Kraft nicht mehr reicht, dann bleibt oft nur noch eines:
Ich sehe Fil­me. Schon immer lieb­te ich das. Wenn kei­ne Kraft mehr da ist, dann ver­lie­re ich mich in den Fil­men. Lebe deren Emo­tio­nen, dach­te ich.

Und ja, ich lie­be Action­fil­me.
Hel­den­ge­schich­ten über Mut, Auf­op­fe­rungs­be­reit­schaft und vor allem tie­fe ehr­li­che Freund­schaft.
Ich schäm­te mich oft dafür – weil ich nicht die „anspruchs­vol­le“ Film­kunst moch­te.
Lite­ra­tur­ver­fil­mun­gen waren mir zu tro­cken, Dra­men zu schwer, Hor­ror zu grau­sam.
Aber Hel­den­ge­schich­ten… sie zogen mich magisch an.

Ich spür­te deren Schmerz und wein­te oft dabei oft bit­ter­lich. Wie lächer­lich und wur­de auch oft dafür belä­chelt. Ich ver­ur­teil­te mich selbst dafür und dach­te, mei­ne Güte.
Bis zu jenem Moment, in dem mir etwas klar wurde:

Es war nicht Empa­thie.
Es war mein eige­ner Schmerz.

Die­se Erkennt­nis traf mich wie eine Wucht.

Sie war auf ein­mal da – es ist nicht mit­füh­len mit der Geschich­te. Nein, ich kann den Schmerz nur füh­len, da ich den Schmerz auch in mir tra­ge. Ich spie­ge­le nur. 

Das Ver­rück­te war, es änder­te sich nichts an mei­nem eige­nen Schmerz und doch fühl­te ich mich erleich­tert. Wie eigen­ar­tig und so ging ich die­sem Phä­no­men nach und beob­ach­te­te es. Es wur­de immer deut­li­cher. Man kann nur die­se Din­ge in die­ser Inten­si­tät füh­len, wenn es die Eige­nen sind.
Etwas in mir wur­de sicht­bar, was ich mein Leben lang nur in ande­ren gespürt hatte.

Der Schmerz war immer meiner

Ich begann, das zu erfor­schen – ganz ohne Metho­de, nur durch ehr­li­ches Hin­spü­ren.
Und ich erkannte:

Man kann nur füh­len, was man in sich trägt.
Ein Mensch, der kei­nen Schmerz in sich trägt, kann dra­ma­ti­sche Film­sze­nen sehen und dabei lächeln.
Wer aber tie­fen Schmerz in sich trägt, wird ihn über­all spü­ren –
auch in fik­ti­ven Geschichten.

Fil­me wur­den für mich zu einem siche­ren Ort,
an dem ich mei­nen eige­nen Schmerz füh­len durf­te,
ohne ihn mit dem All­tag zu ver­wech­seln.
Denn im rea­len Leben funk­tio­nier­te ich oft –
da ist kein Platz für Zusam­men­bruch. Es wäre viel­leicht auch ein­fach zu gefähr­lich soviel Schmerz zu füh­len, das könn­te dazu füh­ren, dass das Funk­tio­nie­ren im All­tag nicht mehr mög­lich ist.
Aber im Film, da darf ich wei­nen.
Und plötz­lich ist es nicht mehr „nur ein Film“ –
es ist ein heil­sa­mer Spiegel.

Wow – was für ein Geschenk!

Vielleicht ist es keine Empathie. Vielleicht ist es Erinnerung.

Ich weiß heu­te:
Was ich für Empa­thie hielt, war oft Reso­nanz mit dem,
was in mir selbst noch uner­löst war.
Ich fühl­te nicht den ande­ren.
Ich fühl­te mich.
In sei­ner Geschich­te.
In ihrem Schicksal.

Und viel­leicht ist genau das der ers­te Schritt zur Heilung:

Nicht mehr glau­ben, dass wir für ande­re füh­len –
son­dern erken­nen, dass das, was wir füh­len, unser eige­nes Echo ist.

Schmerz, Resonanz und Nervensystem – was die Wissenschaft dazu sagt

Die­se Erkennt­nis ist nicht nur gefühlt wahr –
sie lässt sich auch aus ver­schie­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Per­spek­ti­ven unter­mau­ern.
Sie öff­net eine neue Sicht auf das, was in vie­len Men­schen im Ver­bor­ge­nen wirkt. Ich bin kein Pro­fi und habe all die­se Din­ge nicht stu­diert und pri­vat viel gele­sen und ver­sucht nach­zu­voll­zie­hen und ich schrei­be, was ich per­sön­lich für Erkennt­nis­se dar­aus gezo­gen habe. Also viel­leicht lie­ge ich da nicht zu 100 % rich­tig, aber es ist mei­ne Betrach­tungs­wei­se zu den Menschen.

Franz Ruppert – Trauma, Identität und Resonanz

Der Psy­cho­lo­ge Prof. Dr. Franz Rup­pert geht davon aus, dass wir durch trau­ma­ti­sche Erleb­nis­se – beson­ders in frü­her Kind­heit – Tei­le unse­rer Psy­che abspal­ten.
Die­se abge­spal­te­nen Traum­age­füh­le wir­ken wei­ter­hin in uns und wer­den durch bestimm­te Situa­tio­nen im Außen „ange­trig­gert“, ohne dass wir bewusst erken­nen, dass es unser eige­ner Schmerz ist.

Wenn wir also auf eine Film­sze­ne, eine Geschich­te oder ein Schick­sal stark emo­tio­nal reagie­ren,
kann das bedeuten:

Wir erken­nen unbe­wusst eine alte, unver­ar­bei­te­te Erfah­rung in uns selbst wieder.

Also im Nor­mal­fall sind es nicht die Fil­me, son­dern das Leben selbst, aber ich mag die­sen siche­ren Raum Film, denn man ist nicht sofort in Gefahr, dass das Sys­tem sich über­for­dert fühlt. 

Gopal (Norbert Klein) – das Nervensystem und ehrliches Mitteilen

Gopal zeigt in sei­ner Arbeit ein­drück­lich, wie wich­tig Regu­la­ti­on des Ner­ven­sys­tems ist, wenn es um Hei­lung und ech­te Ver­bin­dung geht.
Sei­ne Metho­de des Ehr­li­chen Mit­tei­lens bringt Men­schen dazu, ihre inne­ren Emp­fin­dun­gen, Gedan­ken und Gefüh­le bewusst aus­zu­drü­cken, mit der tota­len Prä­senz eines ande­ren Men­schen
ohne sie zu bewer­ten oder zu ana­ly­sie­ren – und dadurch in Kon­takt mit sich und ande­ren zu kommen.

Die­se Ehr­lich­keit fehlt oft im All­tag – und Fil­me schaf­fen unbe­wusst genau die­sen Raum:
Ein Ort, an dem ich füh­len darf,
weil der Schmerz schein­bar nicht „mei­ner“ ist –
und dadurch end­lich gefühlt wer­den kann, ohne dass das Sys­tem in Über­le­bens­mo­dus schaltet.

Dr. Joe Dispenza – gespeicherte Emotionen und energetische Felder

Dr. Joe Dis­pen­za erklärt, dass jeder emo­tio­na­le Zustand neu­ro­na­le und bio­che­mi­sche Spu­ren hin­ter­lässt –
und dass wir emo­tio­na­le Mus­ter regel­recht „ler­nen“.
Ein Kör­per, der jah­re­lang Schmerz, Über­for­de­rung oder Ein­sam­keit gespei­chert hat,
kann auf kleins­te äuße­re Impul­se mit alten Gefüh­len reagie­ren,
selbst wenn die Situa­ti­on objek­tiv harm­los erscheint.

Das bedeu­tet:

Unse­re Reak­ti­on auf das Außen ist oft eine Erin­ne­rung des Kör­pers an das Unver­ar­bei­te­te.

Die tiefere Erkenntnis – und eine neue Form von Heilung

Was wäre, wenn all die Gefüh­le, die wir für „Empa­thie“ hal­ten,
tat­säch­lich Ein­la­dun­gen sind, uns selbst zu begeg­nen?
Was, wenn jede Trä­ne, jedes Zit­tern, jedes inne­re Zusam­men­zie­hen bei einer Geschich­te, einem Bild, einem Film –
nicht „zu viel“ ist,
son­dern genau rich­tig, weil es uns zu uns zurück­führt?

Ich glau­be heute:

Wah­re Empa­thie ent­steht erst, wenn der eige­ne Schmerz gehal­ten wurde.

Solan­ge wir inner­lich zer­split­tert sind,
ver­mi­schen wir Frem­des und Eige­nes.
Wir ver­lie­ren uns im Mit­füh­len.
Wir über­for­dern uns.
Wir bren­nen aus.

Wenn wir aber erkennen:

„Ich spü­re mich gera­de selbst in die­sem Moment“,
dann ent­steht eine neue Klar­heit.
Dann kön­nen wir unter­schei­den.
Dann kön­nen wir füh­len, ohne zu zer­fal­len.
Und viel­leicht sogar mit­füh­len, ohne uns zu verlieren.

Der Anfang eines neuen Weges

Ich weiß noch nicht, was aus die­ser Erkennt­nis wird.

Ich hat­te nur das Bedürf­nis es zu tei­len, viel­leicht hilft es ja genau Dir auch eine Erkennt­nis für Dich zu bekom­men.
Viel­leicht ent­steht dar­aus eine neue Form von Hei­lung.
Viel­leicht eine Metho­de, viel­leicht ein Work­shop, viel­leicht ein Raum zum Mitgehen.

Ich weiss nicht, was die Zukunft bringt, aber was ich weiß:

Die­ser Schmerz, den ich mein Leben lang „bei ande­ren“ gespürt habe,
hat mir letzt­lich nur eins gezeigt – mich selbst.

Und das ist nicht ego­is­tisch.
Das ist die Rück­kehr zur Wahrheit.

Ich selbst habe unzäh­li­ge Kur­se absol­viert, war bei vie­len The­ra­peu­ten, Hei­lern, Scha­ma­nen und vie­lem mehr. Aber sich selbst kann man nur durch sich selbst erken­nen. Ich habe die Nase voll, eine neue Tech­nik zu erler­nen, wel­che Hoff­nung macht und hin­ter­her ist alles wie vor­her. Das kommt viel­leicht wie­der, aber an einem Tief­punkt bringt einem das alles nichts. Das macht erst wie­der Sinn, wenn man wie­der auf einem Weg ist. Ich habe schon gehört “du bist The­ra­pie­re­sis­tent” und ähnliches.….

Ich glau­be:
Vie­le Men­schen brau­chen kei­nen neu­en Kurs, kei­ne neue Tech­nik.
Sie brau­chen einen siche­ren Raum, in dem sie
end­lich ihren eige­nen Schmerz spü­ren dür­fen,
ohne sich dafür zu schä­men,
ohne über­for­dert zu sein,
ohne sich in frem­den Geschich­ten zu verlieren.

Viel­leicht wird mein Bei­trag dazu nicht laut, nicht groß, nicht per­fekt.
Aber er wird echt sein.

Und wenn Du Dich in mei­nen Wor­ten wie­der­fin­dest –
dann bist Du nicht allein.
Dann spürst Du viel­leicht auch gera­de nicht „den Schmerz der Welt“,
son­dern Dei­nen eige­nen.
Und das ist nicht zu viel.
Das ist der Anfang von Rückverbindung.

Ich gehe die­sen Weg gera­de selbst.
Still. Ehr­lich.
Und viel­leicht –
gehen wir ein Stück gemeinsam.

Alles Lie­be

Hei­ke Engel

2 Antworten

    1. Lie­be Andrea,

      Dei­ne Wor­te berüh­ren mich sehr – gera­de weil sie so schlicht und ehr­lich sind.
      Es freut mich von Her­zen, dass Dich der Arti­kel erreicht hat. Wenn etwas davon heil­sam für Dich war, erfüllt das genau den Sinn, mit dem ich ihn geschrie­ben habe.

      Dan­ke, dass Du das mit mir teilst.
      Von Her­zen alles Lie­be für Dei­nen Weg 🌿✨

      Hei­ke

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